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Neues Bildungsprojekt beleuchtet die NS-Gesundheitspolitik "Verachtet – verfolgt – vergessen"

Der Lernort Herzogsägmühle hat mit "Verachtet – verfolgt – vergessen" ein neues Bildungsprojekt ins Leben gerufen. Es beleuchtet die sozialrassistische Verfolgung der NS-Zeit. Es dient auch der Sensibilisierung für gegenwärtige Diskriminierungsmuster.

Der Lernort Herzogsägmühle hat ein neues Bildungsprojekt gestartet, das die Verbrechen der NS-Gesundheitspolitik ins Zentrum rückt. Der Lernort ist Teil der Diakonie Herzogsägmühle. Unter dem Titel "Verachtet – verfolgt – vergessen: "Die Opfer der NS-Gesundheitspolitik – Lernen für heute und morgen!" beleuchtet das Projekt die Verfolgung und Ermordung von Menschen, die von den Nationalsozialist*innen als "erbbiologisch und sozial minderwertig" eingestuft wurden. Es zeigt, wie staatliche Stellen und Institutionen aus Medizin, Fürsorge und Verwaltung die völkische Ideologie umsetzten – in enger Zusammenarbeit. "Die Geschichte der NS-Gesundheitspolitik zeigt eindrücklich, wie gesellschaftliche Stigmatisierung und staatlich gelenkte Gewalt ineinandergreifen können", erklärt Prof. Dr. Annette Eberle von der Katholischen Stiftungshochschule München, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Die Professorin für Pädagogik in der Sozialen Arbeit arbeitet seit Langem zur sozialrassistischen Verfolgung. Die Fürsorgepraxis und Gesundheitspolitik im Nationalsozialismus/Nachkriegszeit zählen zu ihren Forschungsschwerpunkten. Eberle unterstreicht die Bedeutung einer differenzierten Auseinandersetzung, um die Opfer nicht erneut zu stigmatisieren und gleichzeitig bestehende Denkmuster zu hinterfragen. Als Beispiel nennt sie die Verwendung des Begriffs "asozial", mit dem die Opfer der NS-Gesundheitspolitik stigmatisiert wurden. Eberle stellt kritisch fest: "Die Kategorie 'Asozial' bezeichnet nur das Urteil der angeblichen sozialen Schädlichkeit als Kontinuum von vor 1933 und danach – bis in die Jetztzeit. Der Begriff 'asozial‘ war und ist bis heute problematisch. Er reduziert die Menschen auf ein fremdgetroffenes Urteil und bleibt letztlich an ihnen kleben."

Diskriminierungsmuster erkennen: Impulse für die Soziale Arbeit heute

Das Herzogsägmühler Projekt beleuchtet nicht nur die Biografien der Opfer, sondern auch das Handeln der Täter*innen – und zeigt, wie sich Ausgrenzungsideologien bis in die Nachkriegszeit fortsetzten. Gleichzeitig richtet es den Blick auf die Gegenwart: Insbesondere Fachkräfte und Auszubildende aus dem Sozial- und Gesundheitswesen sollen Impulse für ihr berufliches Handeln erhalten. "Die historische Analyse dient nicht nur der Aufarbeitung, sondern auch der Sensibilisierung für gegenwärtige Diskriminierungsmuster", erklärt Babette Müller-Gräper, Leiterin des Lernorts Herzogsägmühle. Müller-Gräper: "Wir wollen einen Raum für Dialog und Aufklärung schaffen, der es Menschen ermöglicht, aus der Vergangenheit zu lernen und sich für eine gerechtere Zukunft einzusetzen."

Bildungsformate und Beteiligung

Dabei setzt der Lernort auf moderne Bildungsansätze. Digitale und analoge Lernmodule sollen dabei helfen, den historischen Kontext auf verständliche Weise zugänglich zu machen. Daneben bietet das Projekt Workshops, Gedenkveranstaltungen, ein Gedenkbuch und ein Erzählcafé. Für alle, die sich wissenschaftlich, beruflich oder privat für dieses Thema interessieren, bietet das Projekt eine Plattform des Austauschs und der Beteiligung. Interessierte können sich direkt unter ns-unrecht@herzogsaegmuehle.de melden.

Förderung

Gefördert wird das Forschungsvorhaben durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) sowie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht.

Über den Lernort Herzogsägmühle

Während der Zeit des Nationalsozialismus, von 1934 bis 1945, war Herzogsägmühle Teil eines Zwangsfürsorgesystems. Der bisherige Träger, der "Verein für Arbeiterkolonien in Bayern", wurde mit seinen beiden Arbeiterkolonien – Herzogsägmühle und Simonshof in der Pfalz – in den neu gegründeten "Landesverband für Wander- und Heimatdienst" integriert. Das neue Ziel der Fürsorge in Herzogsägmühle war die Selektion der Hilfebedürftigen nach einer sozialrassistischen Auslese. In dieser Zeit wandelte sich Herzogsägmühle zu einer tödlichen Gefahrenzone für alle, die dort Hilfe suchten. Für mindestens 430 Jugendliche und Männer bedeutete die Einweisung nach Herzogsägmühle das Todesurteil. Heute gibt es den Lernort Sozialdorf Herzogsägmühle. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, die 130-jährige Geschichte von Herzogsägmühle zu erforschen und aufzubereiten. Anlässlich des 125-jährigen Bestehens wurde für die Menschen, die unter dieser Zwangsherrschaft zu leiden hatten oder zu Tode kamen, in Herzogsägmühle ein Ort der Erinnerung geschaffen:

www.lernort-herzogsaegmuehle.de

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